Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 213, Februar 2013
Von Ellen Wietstock
Lang, lang ist es her: Vor über 30 Jahren setzten sich in Berlin Frauen aus allen Bereichen der Filmbranche zusammen, gründeten den Verband der Filmarbeiterinnen und forderten 50% aller Filmfördermittel für Frauen sowie eine geschlechterparitätische Besetzung der Fördergremien. Eine Forderung des Verbandes – nämlich 50% aller Gremiensitze für Frauen – hat sich nahezu erfüllt (siehe black box Nr. 215, Januar 2011). An der Spitze zahlreicher Filmförderinstitutionen stehen Frauen (Petra Müller in Nordrhein-Westfalen, Kirsten Niehuus in Berlin-Brandenburg, Gabriele Röthemeyer in Baden-Württemberg, Eva Hubert in Hamburg-Schleswig-Holstein, Maria Wismeth in Hessen, Sabine Matthiesen in Mecklenburg-Vorpommern). Und dennoch: Im August 2012 vergab die FFA 4,5 Mio. Euro Projektförderung für 17 Kinofilme, die ausschließlich von Männern realisiert werden. Im September 2012 förderte die Film- und Medienstiftung NRW 30 Projekte mit 5,4 Mio. Euro, bei denen ausschließlich Männer Regie führen. Einzelfälle?
Woanders ist es auch nicht besser, selbst im stets von der deutschen Filmbranche beneideten Frankreich gab es Diskussionsbedarf. Im vergangenen Jahr brandete die Debatte über die mangelnde Präsenz von Frauen wieder auf, als das ohnehin männerdominierte Cannes es tatsächlich schaffte, einen Wettbewerb mit 22 Filmen ohne einen einzigen Film von einer Regisseurin zusammen zu stellen. Der Programmverantwortliche von Cannes, Thierry Frémaux, reagierte auf die Protest-schreiben mit dem bekannten Argument, man würde ja gerne, aber es habe halt keine geeigneten Filme von Regisseurinnen gegeben. Damit blieb das größte Festival der Welt seinem Stil treu – schon zu seinem 60. Jubiläum versammelten sich 60 Regisseure des Weltkinos zu einem Gruppen-bild mit Dame: Jane Campion, die einst für Das Piano die Goldene Palme erhielt, war the One and Only unter 60 Männern.
Zurück zur deutschen Filmlandschaft: Woran liegt es, dass relativ wenige Regisseurinnen an den Fördergeldern für große Kinofilme partizipieren, obwohl sich die Frauenquote an den deutschen Filmhochschulen sehen lassen kann. Die Berliner Film- und Fernsehakademie DFFB beispielsweise bildete von 1990 bis 2006 144 Frauen und 171 Männer für die Filmbranche aus. An der Filmaka- demie Baden-Württemberg in Ludwigsburg liegt der Frauenanteil zur Zeit bei rund 30%: Von insgesamt 128 Regiestudenten (für alle Studienschwerpunkte) des Wintersemesters 2012/2013 sind 47 weiblich. Im Bereich Regie/Spielfilm werden 43 Studierende ausgebildet, darunter sind 14 Frauen. Auf eine Frauenquote von rund 35% im Bereich Regie/Spielfilm kommt auch die Hoch- schule für Fernsehen und Film in München. Ähnlich sieht es in Potsdam aus: Die Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf verzeichnet im Studiengang Regie für die letzten Jahre einen Frauenanteil in gleicher Höhe.
An den Zugangsvoraussetzungen zur Aus- und Weiterbildung kann es offenbar nicht liegen, dass es nur wenige Regisseurinnen gibt, die kontinuierlich für das Kino arbeiten. Was geschieht also auf dem Weg von den Filmhochschulen in die real existierende Filmbranche und wie geht es nach dem Debütfilm weiter? Gibt es nach Auffassung der Vergabekommissionen nur wenige förderungswürdige Projekte von Regisseurinnen? Bevorzugen Frauen ganz bewusst kleinere, überschaubarere Budgets, kalkulieren und beantragen sie deshalb weniger Fördermittel? Trauen Produzenten und Produzentinnen den Frauen nur selten den Umgang mit dem großen Geld zu? Um diese Fragen zu beantworten, wären Erfahrungsberichte von Filmemacherinnen hilfreich, die den langen Gang durch Förderinstitutionen beschreiben. Wir beginnen mit den Fakten: In den folgenden Ausgaben der black box werden die Förderentscheidungen der FFA, des BKM und der Länderförderungen im Mittel-punkt der Untersuchung stehen.