Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 233, April/Mai 2013
Die Filmbranche ist empört – zu Recht: Produzenten, Regisseure, und Schauspieler protestieren gegen den angekündigten Rückzug der öffentlich-rechtlichen Sender aus der Kino-Koproduktion. Für die in der Produzentenallianz organisierten Kinofilmproduzenten hat Uli Aselmann Anfang März 2013 folgende Stellungnahme abgegeben:
Stellungnahme der Produzentenallianz:
„Das Kerngeschäft der öffentlich-rechtlichen Sender und die Rechtfertigung ihrer Sonderstellung ist das Programm. Qualitativ wertvolle und kulturell hochstehende Inhalte sind der Grund, warum in Deutschland das ZDF und die ARD-Sender eine auch im internationalen Vergleich beispiellos privilegierte Finanzierung genießen. Ausgerechnet am Programm zu sparen, wenn die Mittel nicht wie früher regelmäßig erhöht werden, gefährdet nicht nur die Erfüllung des Programmauftrags, sondern beschädigt auch die Reputation und die Akzeptanz der Sender bei denjenigen, die die Finanzierung aufbringen: den Bürgerinnen und Bürgern. Wir freuen uns über Bekenntnisse von Sendervertretern, weiter exzellente Stoffe im Bereich Kino fördern zu wollen, beobachten in der Realität aber gegenläufige Tendenzen: Der Finanzierungsanteil der Sender an deutschen Kinofilmen wird 2012 und 2013 vermutlich noch geringer ausfallen als 2011, und die Zahl der deutschen Spielfilme, die bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in der Primetime gesendet werden, liegt fast unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Und was gesendet wird, muss auf Primetime-Tauglichkeit getrimmt sein.
Die deutschen Kinofilmproduzenten, deren Oscars die Sender gerne auch als ihr eigenes Verdienst reklamieren, sind ausgesprochen besorgt über eine Entwicklung, in der sich die öffentlich-recht¬lichen Sender zunehmend nicht mehr als verlässlicher Partner für die deutsche Kinofilmproduktion erweisen und an deren Ende eine fundamentale Schwächung des gesamten öffentlich-rechtlichen Systems stehen könnte. Wir fordern deshalb ein klares Bekenntnis der Sender zum deutschen Kino¬film, das sich auch in regelmäßigen Sendeterminen zur Hauptsendezeit ausdrückt, angemessene finanzielle Beiträge der Sender zum Entstehen der Filme und die Bereitschaft der Sender, in der Beteiligung am Kinofilm auch die Chance zu sehen, von Fall zu Fall die ausgetretenen Pfade des Konsensfernsehens zu verlassen und neue Wege zu erkunden. Wir unterstützen ausdrücklich die Forderung nach einer gesicherten Finanzierung der öffentlich- rechtlichen Sender. Diese bringt aber auch die Verantwortung der Sender mit sich, das Kulturgut des Kinofilms nicht am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen.“
Stellungnahme des Regieverbandes:
Der Bundesverband der Film- und Fernsehregisseure (BVR) schließt sich der Forderung der Produzentenallianz zu einem konsequenten und klaren Bekenntnis der Sender zum deutschen Kinofilm an: „Die Erklärungen von BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz und ARD-Programm¬direktor Volker Herres bestätigen einen lange befürchteten Paradigmenwechsel der Fernsehsender. Bettina Reitz hatte in der vergangenen Woche eine Reduktion des BR-Engagements bei Kino-Koproduktionen angekündigt, ARD-Programmdirektor Volker Herres hatte für eine Ausstrahlung deutscher Kinofilme im TV eine Primetime-Tauglichkeit im Sinne des Fernsehprogramms zur Grundvoraussetzung erklärt.
„Die öffentlich-rechtlichen Sender des ARD und ZDF stehlen sich zunehmend aus der Verant¬wortung für ihre inhaltlichen Programmaufgaben bezüglich Information, Unterhaltung Bildung und Kultur. Die Gebührenfinanzierung garantiert ARD und ZDF eine Sonderposition, um ohne Quoten¬druck qualitativ und kulturell wertvolle Inhalte herzustellen” sagt BVR-Vorstand Peter Carpentier. „Sie sind lebenswichtige Finanzierungspartner für deutsche Spielfilme und internationale Ko-Produktionen. Jetzt aber berufen sie sich auf Quotendruck bei ihren Primetime-Sendeplätzen und kappen weitgehend ihre Budgets für Spielfilme. Damit legen sie den Markt für herausragende Pro¬jekte deutscher Regisseure trocken”. Würden die Sendeanstalten ihr Engagement für den deutschen Kinofilm völlig verweigern, müsste wohl auch der Rundfunkstaatsvertrag geändert werden.
„Wer sich gerne im Blitzlichtgewitter deutscher Kinopremieren sonnt und zeitgleich den Rückgang des Kinoengagements deutscher Sender ankündigt, darf sich nicht wundern, wenn er als unglaub¬würdig wahrgenommen wird” ergänzt BVR-Vorstand Stephan Wagner. WDR, BR und ARD/Degeto haben u.a. den Oscar-gekrönten Film Liebe/Amour von BVR-Mitglied Michael Haneke mitfinanziert und präsentieren sich in den Medien gerne als Väter des Erfolgs. Auch andere Werke wie Margarethe von Trottas Hannah Arendt und Ulrich Seidls Paradies: Hoffnung, die weltweit Festivalerfolge feiern und von den öffentlich-rechtlichen Sendern mitfinanziert wurden, sollen demnächst in die Nachtschiene verbannt oder gar ganz aus dem Programm gestrichen werden.
Mit Bedauern muss der Bundesverband der Film- und Fernsehregisseure feststellen, dass nach dem finanziellen Missmanagement bei der ARD-Tochter Degeto nun auch der BR und andere Sender Sendeplätze und ihr finanzielles Engagement bei der Herstellung deutscher Spielfilme zurückfahren. Auch die privaten Sender, mit Ausnahme von Sat1, haben deutsche Spielfilme fast vollständig aus ihrem Programm gestrichen: in 2012 hat RTL gerade einen einzigen deutschen Kinofilm zur Hauptsendezeit gezeigt, Rivale Pro7 gerade vier, bei dem es 2007 noch zwölf waren.
Der Bundesverband der Film- und Fernsehregisseure fordert alle deutschen Sender auf, regelmäßige Sendeplätze zur Hauptsendezeit für deutsche Spielfilme einzurichten und wieder verlässlicher Partner für Finanzierung und Herstellung für das deutsche und internationale Kulturwirtschaftsgut Film zu sein. “Mit der festen Einführung eines deutschen Kinotags in das Programmschema des deutschen Fernsehens würden den Worten deutscher Fernsehverantwortlicher endlich Taten folgen”, ergänzt Stephan Wagner. “Wer deutsches Kino ausschließlich nach Fernsehtauglichkeit beurteilt, beschädigt nachhaltig das deutsche Kino.“
Wenn sich die Sender tatsächlich wie angekündigt aus der Produktion deutscher Kinofilme zurückziehen, muss auch ihr Einfluss in den Fördergremien von Bund und Ländern kritisch hinterfragt werden. Dazu meint Wagner weiter: „Deutsches Kino ist keine Resterampe für billig erworbenes Formatfernsehen. Wir Regisseure lieben Kino. Wer anders denkt, sollte vom deutschen Kino die Finger lassen.”
Stellungnahme des Bundesverbandes der Film- und Fernsehschauspieler:
Der Bundesverband Film- und Fernsehschauspieler (BFFS) beschreibt seine Position wie folgt:
„Mit wachsender Sorge beobachtet allerdings auch der BFFS eine immer größer werdende Entfremdung zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und den Film-und Fernsehkreativen, die hierzulande nicht voneinander zu trennen sind. „Es sind dieselben Produzenten, Regisseure und Schauspieler, die die Inhalte für Kino und Fernsehen herstellen“, ergänzt Martin May, Vorstands-mitglied im BFFS. „Wenn jetzt eine weitere Reduktion der Senderbeteiligung bei Kino-Koproduktionen und die Überprüfung derselben auf ‚Primetime-Tauglichkeit‘ angekündigt werden, ist ein Aussterben der Vielfalt von Erzähltechniken zu befürchten. Kinofilme erzählen anders. Wenn sie das nicht mehr dürfen, wenn sie genau so erzählt werden sollen wie Primetime-Fernsehfilme, dann wird das Wissen und die Akzeptanz um diese Erzähltechniken sowohl beim Publikum als auch bei den Filmemachern immer weiter verkümmern.“
Der BFFS unterstützt ausdrücklich das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, verbindet diese Unterstützung aber mit der Forderung, die vom Gebührenzahler verwalteten finanziellen Mittel dem kulturellen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender gemäß einzusetzen und diesen Einsatz trans¬parent zu machen. „Wenn Gebührenmilliarden für filmkulturelle Verödung verwendet werden“, stellt Michael Brandner, Vorsitzender des BFFS, fest, „dann werden sie falsch verwendet. Das muss überprüf- und korrigierbar sein. … Sowohl die Ko-Finanzierung für Kinoproduktionen als auch das Zur-Verfügung-Stellen akzeptabler Sendeplätze ist in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen. Wenn der deutsche Film nicht mehr in seiner Vielfalt finanziert wird, wird auch die Qualität des Fernsehens darunter leiden.“