Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 232, März 2013
Von Frank-Peter Lenze
Das Filmbüro NW versuchte im Dezember letzten Jahres mit dem Symposium „Nichts zu lachen – Glanz und Elend der deutschen Filmkomödie“ zu ergründen, warum die deutsche Filmkomödie im eigenen Land zwar immer als „das schwierigste Genre überhaupt“ bezeichnet und als „Königsdisziplin“ angesehen wird, sich aber auf der anderen Seite immer den Vorwurf der klamaukigen Oberflächlichkeit und einer deutschen Fehlinterpretation der französischen Definition des Begriffs ‚Leichtigkeit’ durch das deutsche Bildungsbürgertum gefallen lassen muss und in deutschen Redaktionsstuben nicht wirklich ernst genommen wird.
Es ist erst einmal sehr lobenswert, dass sich das immer schon etwas innovativere Filmbüro NW des Themas annimmt, dass nämlich die deutsche Filmkomödie gerade mal von der Maas bis an die Memel rezipierbar ist, aber schon von der Etsch bis an den Belt erste Verständnisprobleme auftauchen. Außerhalb dieser Grenzen ist die deutsche Filmkomödie dann in der Regel komplett unverständlich und stößt sogar auf Irritation und Unverständnis. So müssen deutsche Filmkomödien in der Regel im Ausland komplett scheitern. Die Organisatoren des Symposiums gingen der Frage nach, warum die deutsche Filmkomödie, neben dem immensen jüdischen Aderlass im Dritten Reich, immer noch diverse Defizite hat, die sie daran hindert, international verständlich sein zu können. Nach dem Vortrag „Make them laugh, everyone wants to laugh“ des Filmwissenschaftlers Daniel Kothenschulte diskutierten einige Filmemacher, Autoren und Produzenten mit dem Redakteur Michael André „Über falsche Political Correctness oder Wie subversiv darf eine Filmkomödie in Deutschland sein?“, warum Filmemacher in Deutschland jeweils ihre subversiven Projekte nicht an den Gremien vorbeibringen können und woran das liegen könne. Die fast gleiche Diskussion wiederholte sich dann noch einmal in dem Panel „Lustig oder sonst nichts oder Wie ernst muss eine gute Komödie sein“, bei einem Gespräch zwischen anderen Autoren und Filmemachern und dem Filmkritiker Andreas Kilb. Schließlich wurde noch in der Diskussion „Komödie und New Media oder: Ein zaghafter Anfang“ erörtert, ob neue Medien ggfs. größere Freiheiten bringen. Der Filmemacher Carsten Strauch berichtete von der relativen Narrenfreiheit bei seiner Serie Götter wie wir auf ZDF Kultur, die dann allerdings in der Woche nach dem Symposium von der relativen Humorlosigkeit der katholischen Kirche doch eingeholt wurde. Eine Lösung, woran die internationale Rückständigkeit der deutschen Filmkomödie und des deutschen Humors aber liegen könne, wurde nicht wirklich gefunden.
Dabei ist das Problem der deutschen Filmkomödie ein Problem mit zwei Wahrheiten! Zum einen ist eine gewisse Despektierlichkeit der deutschen Kultur gegenüber Komödien generell nicht wegzuleugnen. Komödien sind vielleicht die „Königsdisziplin“, gelten aber in der Regel als „leicht“ und für den Deutschen Filmpreis nicht nominierbar – selbst wenn sie den Schnitt so mancher regionaler deutscher Filmförderung im Alleingang retten. Auf der anderen Seite rechtfertigt die deutsche Filmkomödie dieses Vorurteil des deutschen Bildungsbürgertums in der Regel; sie ist, bis auf die Komödien von Juden (Alles auf Zucker) und Sauerländern (Goodbye Lenin, Der Pfandlaie). tatsächlich zumeist oberflächlich, klamaukig und relativ gehaltfrei. Ob das nun daran liegt, dass die zuständigen Redakteure alles Scharfe, Obszöne, Tabubrechende und Intellektuelle vorher herausgenommen haben oder weil sich der deutsche Witzbegriff, während „Sturm und Drang“, getrennt hat und nur noch der anspruchslose „Spaß“ übrig blieb und so nur solche Komödien übrig bleiben können, die dieser Fehlinterpretation eines Klischees entsprechen und sich so die Katze immer wieder in den Schwanz beißt, sei einmal dahingestellt. Sieht man sich jedoch deutsche Filmkomödien im Verhältnis zu Komödien der drei Humorweltreligionen, den jüdischen, britischen und ihrem unehelichen Nachkömmling, dem amerikanischen Humor, an, stellt man bei genauer Betrachtung tatsächlich große Unterschiede fest. Während britische, amerikanische und jüdisch geprägte Filmkomödien, nennen wir sie fortan international, zumeist über Empathie und Reflexion funktionieren und mit dem Komiker lachen, tendiert die deutsche Filmkomödie dazu, den Hauptcharakter aus urdeutscher Schadenfreude, weltexklusiv, in der Regel eher auszulachen. Sieht man sich jetzt genauer an, wodurch diese Humorarten sich in den jeweiligen Komödien verkörpern, so stellt man einen veritablen, manchmal feinen, aber immer existentiellen Unterschied fest. Dieser Unterschied drückt sich in dem jeweiligen Verhältnis von komischer Situation zu komischer Figur aus!
Während in einer deutschen Filmkomödie in der Regel die Story und die Situation nur leidlich komisch sind (zumeist da der Redakteur etwas Anspruchsvolles auch dem Genre nicht entsprechend fand!), wird die Figur zumeist aber so inszeniert, als gebe man ihr mit auf den Weg „Dies ist eine Komödie. Du musst komisch sein!“ Dies führt in der Regel dazu, dass komische Figuren in deutschen Filmkomödien sehr schnell sehr stark chargieren. Als ob immer mitgespielt werden müsse, „Ich bin eine komische Figur und habe ja witzig zu sein“. Dies führt dann in der Regel zu dem oft beschriebenen und international nicht rezipierbaren deutschen Klamauk. Der internationale Zuschauer fragt sich dabei nämlich zumeist, warum die komische Figur sich in deutschen Filmkomödien so albern verhält. Eine Art Identifikation oder zumindest eine Anteilnahme und Empathie sind mit einer so chargierenden Figur aber nur schwer möglich, da sie nicht wirklich menschlich erscheint oder zumindest nicht soweit, dass man sich mit ihr identifizieren möchte. So bleibt dem Zuschauer, wenn, nur der typisch deutsche Humor der Schadenfreude, um diese Figur auszulachen. Dieser typisch deutsche Humor ist aber, trotz oder gerade, wegen erschwerter Reflexion in diesem Land, welches Schadenfreude für völlig normal oder gar archetypisch („Schadenfreude ist die schönste Freude“) hält, in anderen Ländern schlicht nicht rezipierbar, da komplett inexistent.
Die internationale Filmkomödie funktioniert in der Regel grundlegend anders, denn hier ist die Situation stets größer als der Charakter. Während die internationale Komödie zumeist eine originelle Story und Ausgangssituation bietet, die die Figur in eine ungewohnte, überlebensgroße Not bringt, versucht die Figur in dieser Situation immer die Kontrolle zu behalten und zu überleben. Man denke an John Cleese in Ein Fisch namens Wanda, wenn er bei seinem Schäferstündchen mit Jamie Lee Curtis von einer Familie überrascht wird. John Cleese spielt diese Situation jedoch völlig ernst durch und die Komik entsteht so durch die Wechselwirkung von eskalierender Situation und ernst zu bleibend versuchender Figur und nicht durch völlig unmotiviertes, total überzogenes Dauerchargieren. Sieht man sich Chaplin, Keaton, Laurel & Hardy, Monty Python oder Mr. Bean an sieht man sich bestätigt. Selbst wenn die Figur bei Mr. Bean etwas überspielt, tut sie das nur im Charakter der Figur, und dennoch bleibt die Idee der Geschichte und die Situation immer größer als die Figur. Die Figur bleibt und der Schauspieler spielt, wenn auch in immer größere Verzweiflung geratend, in der Regel aber ganz ernst durch. Die Crux ist dabei, dass die Figur dadurch verstehbar, nachvollziehbar und dadurch menschlich bleibt. Der Zuschauer kann die Situation reflektieren und durch einen einfachen wie genialen Inszenierungstrick mit seinem eigenen Leben abgleichen. In diesem Falle lacht man dann mit der Figur und schließlich über sich selbst, was der internationalen Haltung von Humor entspricht. Der Hauptgrund des Siegeszugs und der internationalen Verstehbarkeit von internationalem Humor. Ist in der deutschen Filmkomödie die Geschichte mal gehaltvoller und der Humor scheint anspruchsvoller, so ist der Film meistens dann nicht wirklich witzig. Falls es überhaupt einmal eine Komödie ohne anführenden Komikerstereotyp gibt. Denn funktioniert internationaler Humor auch in der Regel ohne stereotype Komikerfigur, so sind bei uns in der Regel Otto, Didi oder Hausmeister Krause (für den Verkauf) einer Komödie von Nöten. Robin Williams kann stattdessen aber von Garp zu Mrs. Doubtfire springen und wechselt daher auch ohne Probleme zu unkomischen Rollen wie One Hour Photo, ohne vorher in eine Schublade gesteckt worden zu sein, mit denen wir Deutsche unserem Leben gerne Halt geben.
Auf der anderen Seite ist es nach eigener Erfahrung fast unmöglich, in Deutschland eine anspruchsvolle, schwarze, selbstironische Komödie zu drehen, da ein solches Drehbuch gern sehr schnell ein Opfer der mannigfaltigen deutschen Fehlinterpretationen wird, „das müsse ja anspruchsloser Klamauk sein, da es nichts anderes gibt“ (oder geben darf)! Denn wenn man in Deutschland z.B. die Kurzfilm-Komödie Der Pfandlaie (2008) inszeniert, indem die Figuren weitgehend ernst bleiben, während die Situation eskaliert, trifft dieser Film gerne auf mannigfaltige Fehlinterpretationen der Produzenten, das sei nicht witzig, da die Figuren nicht witzig seien! – ergo nicht chargieren. Der französische Filmkritiker J.Takeshi jedoch schreibt: „Normalerweise ist deutscher Humor nicht sehr attraktiv. In der Regel hat er einen schlechten Geschmack. Der Pfandlaie ist hingegen ziemlich köstlich!“ Wenn der Film dann zudem beim internationalen Publikum immer komplett abräumt und sich so beim Produzenten erste Irritationen einstellen, hofft man doch, dass die Erfahrung sie klug gemacht hätte. Wenn aber dann nach fast 20 Festivals in den USA immer noch keine Reflexion einsetzt, wundert man sich auch nicht mehr, wenn man einer Redakteurin einen Langfilm mit internationalem Humor anbietet, sie diesen zwar erkennt, aber behauptet, es habe viel bessere Stoffe gegeben. Wenn man aber dann auf dem Symposium „Nichts zu lachen“ über ebendiese Redakteurin gesagt bekommt, sie habe in einem vorherigen Symposium behauptet, ihr würden schlicht keine Komödien angeboten, dann bleibt man selbst irritiert zurück und erfährt wieder mal, dass das Problem der deutschen Filmkomödie wohl wirklich eines mit zwei Wahrheiten ist.